TRAUER IST NICHT GLEICH TRAUER

All denen, die trauern, sei gesagt:

Trauer ist nicht gleich Trauer. Jeder trauert anders.  Ganz anders.

Natürlich gibt es allgemeingültige Erkenntnisse zur Trauer und ihren Erscheinungsformen.

Man sollte sich hingegen immer bewuß sein, daß es auf der Welt vermutlich so viele unterschiedliche

Ausprägungen von Trauer gibt,  wie es Menschen auf dieser Welt gibt.

Dies ist ein Plädoyer für  Individualität  und Liberalität , denn Tod und Trauer sind wahrscheinlich der

emotionalste Bereich im Leben eines Menschen - neben der Liebe.

Und wie hochgradig emotional muß es dann sein, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist.

 

Und allen, die nicht selber direkt betroffen sind von einem Verlust durch Tod, welche aber Umgang haben

mit einem Menschen in Trauer, sei gesagt:

der richtige Umgang mit einem trauernden Menschen ist nicht einfach und man sollte immer im Bewußtsein  haben, daß  jeder Mensch anders trauert und jeder Mensch ein Recht hat auf seine

individuelle Art der Trauer und  wie  er versucht, sie zu bewältigen.

 

Unter WAHRHEITEN wird versucht, verschiedene Ausprägungen der eigenen Trauer zu beleuchten

                                                                                                      und 

wie man aufrichtig Anteil nimmt an der Trauer anderer

 - und  vor allem - wie man es  nicht machen sollte ! 

 

 Und noch eine Wahrheit in unserer Gesellschaft:

Man trauert, aber man spricht nicht darüber!

Und umgekehrt:

Wenn jemand nicht darüber spricht, heißt das nicht, daß er nicht trauert!

 

DIE  3  V's DER TRAUER 

Der Verlust

Nach dem Tod eines nahe stehenden Menschen wird natürlich in erster Linie der Verlust als solcher beklagt. Es ist diese absolute Unwiderruflichkeit. Keine Macht der Welt kann den Verlust umkehren, ausgleichen, abfedern.

Mit dem Tod ist nicht zu diskutieren. In unserer westlichen Welt  wird der Tod  als  besonders brutal empfunden, da wir ja gewohnt sind, uns gegen alles abzusichern.

In früheren Zeiten wurde er als Teil des Werdens und Vergehens angesehen und nicht als GAU

(Größter Anzunehmender Unfall). 

Mit anderen Worten: der Tod wird als ein Phänomen betrachtet, das immer die anderen trifft,

aber nicht mich selber.  Umso größer ist dann der empfundene Verlust. Es ist sogar ein doppelt 

gefühlter Verlust: neben dem eigentlichen Verlust des geliebten Menschen auch noch der "Kontrollverlust ".

Der Tod entzieht sich jeglicher Kontrolle, er ist nicht verhandelbar, dem Tod gegenüber ist der

Mensch nichts anderes als eine Marionette!  Dieser Kontrollverlust wird von sehr vielen Trauernden

besonders schlimm gefühlt.

 

Die Vorwürfe

Ganz gleich unter welchen Umständen der Tod eingetreten ist: der trauernde Hinterbliebende

macht sich Vorwürfe aller Art. Dabei spielt es keine Rolle, wie der Tod eingetreten ist, ob es z.B  

ein Unfall war oder ob eine längere Krankheit vorhergegangen ist.

Bei einem Unfall quält man sich mit der Frage, was man hätte tun können zur Verhinderung,

ob man es hätte voraussehen können, inwieweit man direkt oder indirekt sogar daran schuld ist? 

Selbst auferlegte moralische Schuldfragen können viel quälender sein:

hätte ich die Reise verhindern sollen, bei welcher der Unfall passierte? 

hätte ich darauf bestehen müssen,  nicht auf die Leiter zu klettern? 

 

Diese Vorwürfe kommen in der Tat auch, wenn ein Krankheitsprozess vorausgegangen ist,

bei dem man aufopfernd gepflegt hat und bei dem man sich auf das Ende vorbereiten konnte.

Hätte ich darauf bestehen müssen, früher zum Arzt oder zur Vorsorge zu gehen ?

Was hätte ich noch tun können, um das Ende hinauszuschieben oder es besser zu gestalten?

Oder umgekehrt, habe ich vielleicht aus egoistischen Motiven versucht, das Ende zu lange hinaus

zu schieben?

 

Die Versäumnisse

Sobald der Tod in seiner vollen Bedeutung realisiert wird (siehe unter: Die 4 Stufen der Trauer),

beginnen zwangsläufige Überlegungen, was man alles versäumt hat, im Umgang mit dem

Verstorbenen zu  dessen Lebzeiten.

Hätte ich ihm nicht viel öfter sagen müssen, wie sehr ich ihn schätze und liebe?

Hätte ich mich nicht viel öfter und besser um ihn kümmern müssen?

Hätte ich nicht viel öfter nachgeben müssen statt auf meiner Meinung zu beharren?

Hätte ich, hätte ich...

  

Es hat sich gezeigt, daß die einzelnen "V's"  nicht immer zugleich und nicht immer gleich stark auftreten. 

Man sollte meinen, daß der Verlustaspekt gleich zu Beginn besonders stark empfunden wird.

Wie aber im Rahmen der Stufentheorie dargelegt wurde, ist der Trauernde zu Beginn oft gar nicht

in der Lage der willens, den Verlust zu "realisieren". Vorwürfe aller Art stehen dann oft stärker im Vordergrund. Versäumnisse kommen meist in einer späteren Phase zum Tragen.

Insgesamt gilt hier wie immer beim Thema Trauer:

jeder trauert anders. Ganz anders. 

BESONDER S SCHWERE TRAUERFÄLLE

Den Tod eines lieben Menschen zu erleben ist schlimm genug.

Leider gibt es viele Todesfälle auf dieser Welt, bei denen sich die Trauer potenziert. 

 

Der Tod eines Kindes

Was ist grausamer als sein Kind zu verlieren?

Das ist noch grausamer als seinen Ehe- oder Lebenspartner zu verlieren.

Eltern sollten ihre Kinder nicht überleben. Das ist unmenschlich.

Ich erwähne hier das Buch von

Monika Peter "Das Leben geht weiter...sagen sie" (Roch Druck ):

sie hat nacheinander 4 Söhne verloren. Man mag sich dieses Leid überhaupt nicht vorstellen

 

In der Nacht zum  2. Juli 2002 stießen  ein Flugzeug der Bashkirian Airlines und ein DHL-Frachtflieger

über dem Bodensee zusammen und alle 71 Personen starben. An Bord der Passagiermaschine waren

auch 49 Kinder auf dem Weg von Moskau in die  Sommerferien nach Spanien. Am 2. Juli 2017 jährt sich

die Tragödie zum 15. Mal. Und die Mütter aus Baschkirien kamen zum 15. Mal an den Bodensee,

um dort ihrer toten Kinder zu gedenken.  Ihr Leid ist nicht geringer geworden, einfach grausam.  

 

Mehrfacher gleichzeitiger Tod

zum Beispiel durch Unfall, Katastrophen, Krieg.

Hier vervielfältigt sich die Trauer nicht nur, sie potenziert sich!

 

Tod durch Suizid

Die Hinterbliebenen machen sich quälende Vorwürfe, warum sie von den Suizidabsichten nichts

ahnten oder sie nicht verhindern konnten. Die Umwelt kann sich auch selten in dieses schwierige

Thema hineinversetzen und dementsprechend verletzend fallen oft die Reaktionen der Mitmenschen aus. 

Erwähnt sei hier das Buch von

Elke Sohler  "Jenseits des Dramas" (digistore24.cm).

 

Ungeklärte Todesfälle und ungeklärter Verbleib

Die Trauer findet keine Ruhe, weil sie keine Erklärungen für den Tod und auch keinen Ort findet.

Manche Hinterbliebene ringen ein Leben lang um Aufklärung.

Ähnliches gilt auch für Überlebende eines Unfalls, eines Krieges oder auch eines Vernichtungslager.

Man sollte glauben, daß die Überlebenden glücklich und dankbar sind davongekommen zu sein.

Aber fast alle quälen sich lebenslang mit Schuldgefühlen: "Warum habe gerade ich überlebt?"

 

Als im März 2015 die German Wings-Maschine abstürzte, starben 149 Menschen, darunter 16 Schüler

und 2 Lehrerinnen aus Haltern. Ein schreckliches Beispiel für mehrfachen gleichzeitigen Unfalltod,

den Tod von Kindern und auch noch  der Unmöglichkeit,  von den Verunglückten in einer Begräbniszeremonie Abschied zu nehmen.

Darüber hinaus: keine Möglichkeit zuhause an einem definierten Grab zu trauern.

Damit nicht genug:  am 2. Jahrestag des Absturzes  traten die Eltern des Piloten an die Öffentlichkeit

und versuchten Beweise vorzulegen, daß ihr Sohn unschuldig sei. Genau am 2. Jahrestag!

Ich kann mir nicht vorstellen, wie schlimm dies dann noch für die Hinterbliebenen gewesen sein muß?

 

Ich persönlich habe meine Frau "nur" durch einen Unfalltod verloren. Schlimm genug, aber ich kann

mir nicht vorstellen, wie quälend solche mehrfach belastenden Todesumstände sein müssen und wie

man so etwas aushalten soll.

Und wie soll man  dann als Freund oder Nachbar tröstende Worte und Handlungen für die Betroffenen finden? 

 

TRAUER ODER DEPRESSION?

Früher als die Menschen weniger gelebt haben,  sondern mehr gezwungen waren zu überleben,

mußte trotz Trauer das Funktionieren im Alltag im Vordergrund stehen und auf die Gefühle

desjenigen, der einen Verlust zu beklagen hatte, wurde wenig Rücksicht genommen.

Trauer haben wir definiert als einen emotionalen Zustand, hervorgerufen durch ein hochgradig betrübendes Ereignis.

Inzwischen weiß man, wie extrem ein Trauerfall seelisch und auch körperlich belastend ist.

"Depressive" Erfahrungen und Momente haben alle Trauernden; kein Wunder, denn wie sonst soll

man reagieren, wenn ein unwiderruflicher Verlust eingetreten ist, oft auch unter erschwerten Umständen.  Das sind in der Regel keine Anzeichen für eine Depression. Der allgemeine Sprach-

gebrauch verwendet ja den Begriff "depressiv" generell auch für eine zeitweilige und vorübergehende  Stimmungseintrübung. Depression hingegen im medizinischen Sinne ist eine psychische Störung, deren Symptome länger vorhanden sind und schwerer auftreten. Wenn man über einen längeren Zeitraum hinweg nicht mehr froh sein kann, nur noch das Negative im Leben sieht, dann sollte man dies vorsichtshalber mal mit einem Therapeuten  besprechen .

Also : "depressiv" ist nicht gleich "Depression"!      

TRAUER IN ANDEREN KULTUREN

Unsere moderne deutsche/westliche Trauerkultur hat sich zu einer unheiligen "Unkultur" hin entwickelt,

welche eine seltsame Mischung darstellt aus düsteren christlichen Ritualen und Symbolen  ("Staub zu Staub..." ) und  alternative Seelentransformation in den Himmel oder die Hölle  sowie einer depressiven Negation des Todes und - was noch viel gravierender ist - einer Negation der Toten!

 

Viele, oder sogar die meisten anderen Kulturen haben erheblich andere Einstellungen zum Sterben,

zum Tod und  zu den Toten. Hier ist nicht Platz für eine  angemessene Darstellung solcher Unterschiede.

Aber wir können festhalten, aß andere Trauerkulturen eine zum Teil fast heitere Einstellung zum Tode

und eine erheblich positivere Einstellung zu ihren Toten haben. Die Toten werden nicht ausgegrenzt sondern als Ahnen geehrt und bleiben auf verschiedene Arten den Lebenden sehr positiv verbunden.

 

FAZIT: 

Unser Umgang mit Tod, Toten und Trauer ist seit Jahrhunderten doch ziemlich düster, schwermütig, depressiv, eben einfach traurig. Das muß nicht unbedingt richtig und selbstverständlich sein, wie uns andere Kulturen zeigen. Es gibt hier Raum für ein kritisches Hinterfragen und für einen positiveren Umgang damit!

Nur zwei Beispiele unter vielen:

in Japan ist es heute noch üblich, daß die Asche der Verstorbenen im eigenen Heim aufbewahrt und verehrt wird. Ein solches Verhalten würde bei uns nicht nur erhebliches Kopfschütteln nach sich

ziehen sondern auch strafrechtliche Konsequenzen.

Auch die Regulierungswut unserer Behörden im Bezug auf die Gestaltung der Friedhöfe bzw.

unserer individuellen Grabstätten ist einfach lächerlich.

 

 

                                                                    Trauer ist nicht gleich Trauer!

                                       Und jeder hat das Recht, so zu trauern, wie es ihm nötig erscheint.