Was man sagen und tun sollte  - und was nicht!

Noch vor 1 oder 2 Generationen gab es in unserer Gesellschaft relativ feste  Regeln im Umgang mit

Tod, Trauer und Trauernden: diese Regeln waren durch die Bank vom christlichen Glauben geprägt.

Nicht daß diese Regeln sonderlich hilfreich gewesen wären für die Trauernden, aber  es hat sie gegeben.

Mit der immer schneller werdenden Verweltlichung, Liberalisierung und Fragmentierung unseres

Lebens sind uns Leitlinien, Regeln und "Hilfsmittel" im Umgang mit Tod und Trauer abhanden gekommen. Tod und Trauer sind zu "ausgelagerten Betriebsunfällen" geworden, welche man möglichst schnell abhandelt.

Frag  mal nach in Deinem Umfeld, was man in einem Kondolenzbrief schreiben soll?.

Ihr werdet Unsicherheit und fragende Blicke sehen.

Man möchte zwar Anteil nehmen und auch Trost spenden, aber wie?

 

Hier sind 8 Regeln, was man im Umgang mit Menschen in Trauer tun sollte

- und was nicht!

 

1.  Zuhören, zuhören, zuhören! 

Es gibt wohl kaum eine wichtigere Regel als:  zuhören.

Dies gilt übrigens nicht nur bei unserem Thema, sondern ganz generell im Umgang mit anderen.

Beobachte Dich mal einen Tag lang selber:

wie oft höre ich meinen Mitmenschen geduldig und doch interessiert zu ?

Ist er wirklich am Ende seiner Ausführungen, wie ausschweifend diese auch sein mögen?  

Wie oft unterbreche ich ihn, unbewußt  oder auch bewußt?

Wie oft versuche ich seine Ausführungen mit meinen eigenen Erfahrungen zu übertrumpfen? 

Genau so umgekehrt: wie oft erlebe ich meine Mitmenschen als geduldige Zuhörer?

 

Wir müssen feststellen, daß  Zuhören wirklich eine der schwierigsten Disziplinen ist im Umgang

miteinander. Die Gabe des echten Zuhörens ist nur wenigen von Anfang an gegeben, aber man

kann sie lernen.                                            

"I suspect that the most basic and powerful way to connect to another person is to listen. Just listen."

A loving silence often has far more power to heal and to connect than the most well intended words."

Quelle:

"Kitchen Table Wisdom, Stories that Heal", Rachel Naomi Remen, Riverhead Books

 

Einer meiner Freunde sagte öfter: 

"Wir gehen jetzt spazieren und wir sagen gar nichts.

Oder Du sagst was und ich höre zu...oder umgekehrt".

 

Nichts verbindet mehr als zuzuhören.

Geduldiges, stilles Zuhören hilft mehr als alle gut gemeinten Worte. 

Wer zuhören kann, begegnet dem Leben.

 

2.  Zeit haben

"Wie geht es Dir?"

Dies ist heute oft eine nicht mehr ernst gemeinte Frage- und Begrüßungsfloskel.

Man will die Antwort nicht mehr wissen oder - bitte schön -  nur Positives hören.

Man sollte einem Trauernden diese Frage nur stellen, wenn man an der Antwort tatsächlich interessiert ist   u  n  d   man sich die Zeit nehmen will zuzuhören.  Man muß bereit (und in der Lage) sein, erst einmal

in die Antwort hineinzuhören - Tonfall, Zwischentöne, Veränderungen zu früheren Gesprächen!

Die wenigsten Trauernden geben auf diese Frage sofort ein ehrliches Feedback. Erfahrungsgemäß 

schafft man aber mit einer nur leicht veränderten Fragestellung  eine ungleich bessere Rückmeldung, nämlich: 

"Wie geht es Dir heute (diese Woche, im Herbst, nach Deiner Reise)?"

 Das signalisiert echtes und kontinuierliches Interesse und erlaubt dem Gegenüber eine umfassendere

Antwort als das übliche  "" Ja danke /  geht schon / muß ja " und ähnliche Antwortfloskeln. 

 

Ähnlich verhält es sich mit der oft gestellten Frage:

"Was kann ich für Dich tun?"

Diese Frage ist fast immer gut gemeint, erfahrungsgemäß kommt darauf meist die stereotype Schutzbehauptung: "Danke, sehr lieb, aber Du kannst nichts tun!"

Die offenen Fragestellung indes: "Wo oder wie kann ich jetzt was für Dich machen?" lockt den

Trauernden eher aus seiner Reserve.

 

Ein anderer sagte einmal:

. "Du kannst jetzt machen, was Du willst, aber morgen komme ich bei Dir vorbei und klingle an

deiner Tür. Wenn Du nicht aufmachst. gehe ich wieder,  aber ich komme vorbei!" 

 

3.  Trost und Anteilnahme : alles zu seiner Zeit!

Zum Zeitpunkt des Todesfalls und auch noch  viele Wochen oder Monate danach gibt es für einen Trauernden keinen Trost. PUNKT.

Trost kommt nicht nur nicht an, sondern wird sogar innerlich abgelehnt.

Trost in welcher Form auch immer wird erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt akzeptiert und

das auch nur in einem zögerlichen Prozess.  Dies ergibt sich zwangsläufig schon aus dem unter 

-->"WAHRHEITEN/Stufen der Trauer" geschilderten zeitlichen Trauerprozess.

Daher: zu Beginn der Trauer bis ca. 1 Jahr danach ist lediglich Anteilnahme sinnvoll.

 

Liebe Freunde von mir kamen am Abend des Todestages ungefragt vorbei und waren einfach da.

Sie wußten instinktiv, daß kein Trost möglich war, sie waren einfach nur da und nahmen  Anteil.  

Eine nahe Verwandte fragte vorsichtig an, ob sie vorbeikommen dürfte und ich bat sie, nicht zu kommen.

Sie kam trotzdem, brachte eine Kerze mit und war einfach da. Es kommt weniger darauf an, was man sagt, sondern was man tut.

 

4.  Keine Floskeln und Klischees verwenden
Hier ist eine Liste der Klischees, die man unter keinen Umständen benutzen sollten.
Das Leben geht weiter!
In 2015 kam in einer Fernsehdokumentation eine Mutter zu Worte, welche bei einem Flugzeug-
absturz ihr Kind verloren hat. Sie sagte in einer sehr beeindruckenden Weise:
"Das Leben geht nicht weiter. Es hört auf. PUNKT. Es beginnt eine anderes Leben".
Für die Anderen geht das Leben weiter und das muß auch so sein.
Für den Trauernden bedeutet der Tod einen tiefen Einschnitt, eine mehr oder weniger vollständige
Zäsur - mit einem Leben davor und einem anderen Leben danach!
Die Zeit heilt alle Wunden!
Natürlich heilt die Zeit Wunden. Aber nicht alle und manche nie.
Diese  "Volksweisheit" wird sehr gerne zitiert - interessanterweise nie von den Trauernden selbst,
sondern nur von indirekt Betroffenen. Sie täuscht Anteilnahme vor, ist letztendlich aber das Alibi,
sich gleich wieder verabschieden zu können, weil man ja was Tröstendes von sich gegeben hat.  
Wenn die Wunde nicht heilt, dann bleibt nur, daß man lernen muß, mit ihr zu leben. 
Das bringt uns zum nächsten Klischee:
Du mußt jetzt auch mal loslassen!
Dieser Spruch wird natürlich erst einige Zeit nach einem Verlust ausgesprochen, oft aber viel zu früh.
Eine gute Freundin, welche sehr unter dem Verlust ihres Vaters leidet, rief einmal:
"Ich kann nicht loslassen - und ich will auch nicht!"
Und wie falsch dieses Loslaß-Prinzip generell ist, wurde unter -->"WAHRHEITEN/ Loslassen oder nicht"   beschrieben.
5.  Fremde Erlebnisse und Beispiele trösten nicht

Im Bestreben zu trösten möchte man gerne von selbst erlebten Todesfällen und Trauerbeispielen berichten.

Gut gemeint, aber das hilft einem Trauernden überhaupt nicht. Im Gegenteil, der Trauernde fühlt sich nicht ausreichend gewürdigt in seinem eigenen Schmerz. Es betrifft ihn nicht und der selbst erlebte,

in diesem Augenblick durchlebte Schmerz ist für andere nicht nachvollziehbar.

Aber: nach langer Zeit (ganz unterschiedlich je nach Person) kann man  - vorsichtig - versuchen aufzuzeigen, daß es oft noch schlimmer hätte sein können:

der tragische Unfall hätte statt des sofortigen Todes vorher noch eine lange Leidensphase  beinhalten können. 

Gleiches gilt für den Tod durch Krankheit. 

Und der Autounfall hätte noch mehr Menschenleben kosten können... 

 

6.  Nachfragen und verstärken

Wir haben oben festgehalten, daß  Zuhören das Wichtigste ist und Unterbrechen und selber Reden

nicht helfen. Die Rhetorik kennt den Begriff des aktiven Zuhörens. Dies beinhaltet die gefühlsbetonte Reaktion eines Zuhörers auf das, was der andere sagt. Es bedeutet zum einen,  aussprechen lassen

und keinesfalls unterbrechen sowie Mitgefühl und Verständnis zeigen. Zum zweiten  beinhaltet es, 

die Aussagen des Anderen positiv zu verstärken, indem man sie in veränderter Formulierung wieder-

holt und auch durch Nachfragen verstärkt. Das Nachfragen geschieht am besten durch offene Fragen,

das sind Fragen, auf welche man verschiedene Antworten geben kann. Das Gegenteil sind die geschlossenen Fragen, auf welche man nur mit einem simplen Ja" oder "Nein" antworten kann. Geschlossene Fragen sind fast immer einen Gesprächskiller!

Nachfragen bedeutet ein positives, aktives Interesse an dem, was der Andere sagt.

 

Ganz viele trauernde Menschen möchten vermeiden, andere mit ihren Gefühlen und Gedanken zu belästigen und wollen sicher sein, daß ihr Zuhörer sich wirklich für ihre Probleme interessiert.

Hier gilt es Vertrauen aufzubauen durch aktives Zuhören.

 

7.  Einmal ist keinmal

Die meisten Menschen scheuen sich, die Themen Tod, Trauer  und Verlust anzusprechen.

Man hat sich einmal, nämlich beim ersten Mal ausführlich darüber unterhalten (bei der

Kondolierung) und damit ist gut.  Natürlich frägt man immer wieder nach dem Befinden,

erwartet dann aber nur eine positives Feedback,  siehe oben unter Pkt. 2  "Zeit haben".

 

Viele haben auch eine grundlegende Scheu, nach der Trauer zu fragen, "weil man will den

Trauernden ja nicht immer wieder erinnern!"  Das ist aber kompletter Quatsch, denn die Trauer

ist immer  da, zumindest immer im Hintergrund präsent. Sie ist wie die Hintergrundmusik in

Kaufhäusern und Aufzügen: man hört sie nicht immer, aber sie ist immer da.

Man muß auch sagen, daß viele das  "Ich will nicht daran erinnern-Argument" auch nur als

Ausrede sich selber gegenüber benutzen. 

Also, man  sollte man auch und gerade nach einiger Zeit ganz konkret nachfragen. 

Sofern man das unaufdringlich, aber beharrlich wiederholt, öffnen sich auch verschlossene

Menschen. 

 

Viele Freunde und Bekannte haben mir ungemein geholfen durch die simple Tatsache, daß sie

nicht nur  die ersten paar Monate präsent waren, sondern sich einfach immer wieder gemeldet haben.  

Eine gute Freundin meldet sich  regelmäßig vom anderen Ende Deutschlands.

Eine weitere gute Freundin ruft aus dem Ausland an.  

Eine weitere gute Freundin schickt mir Briefe in ihrer wunderbaren Handschrift - jeder einzelne

ein kalligraphisches Kunstwerk! Allein das Schreiben hat ganz viel Zeit gekostet.

Ich bewahre sie alle sorgfältig auf. 

 

Sie alle helfen nicht nur durch die simple Tatsache, daß sie sich immer wieder melden, sondern daß

sie damit auch der Verstorbenen gedenken und sie nicht vergessen!

Bewundernswert!

 

 8.  Männer trauern anders, Frauen auch !

Wie sonst meist auch:

Männer tendieren mehr dazu, sich zu verschließen, nicht reden zu wollen bzw. zu können.

Das macht es natürlich noch schwieriger, Zugang zu finden. Hier hilft nur Geduld und ein Gefühl

für das richtige Timing.

Wir haben schon festgestellt, daß Tod und Trauer eines der emotionalsten Erlebnisse im Leben

eines Menschen sind. Frauen sind bekannterweise viel besser im Umgang mit Emotionen, so sind sie

in der Regel auch eher bereit, über ihren Verlust zu sprechen.  

Wie immer, so gilt auch hier:

Jeder hat das Recht, auf seine Art zu trauern!